Minister mit Millionenvilla, solche Berichte hat Jens Spahn nur ungern gelesen. Und er ist sogar, während seiner Zeit als Bundesgesundheitsminister, juristisch gegen Veröffentlichungen über seine Immobiliengeschäfte in Berlin vorgegangen. Dort hatte sich der CDU-Politiker seit 2015, teils zusammen mit seinem Ehemann, nach und nach zwei Wohnungen und dann auch noch eine Villa gekauft. Was Fragen aufwarf: Wie konnten sich Spahn und sein Gatte das alles leisten, und warum bekamen sie dafür Kredite in Höhe von insgesamt mehr als sechs Millionen Euro. Fragen, denen Zeitungen zu Recht nachgingen, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg im vergangenen Jahr entschied.
Das OLG befand, Spahn und sein Ehemann müssten es hinnehmen, dass über ihre Vermögensverhältnisse in einem "deutlich weiteren Umfang" berichtet werde, als dies für reine Privatpersonen gelte. Spahn sei schließlich einer der "profiliertesten deutschen Politiker". Das gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Ministeramt. Spahn gehört dem CDU-Präsidium und dem Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an und will weiter eine hervorgehobene Rolle in seiner Partei und in der Politik spielen. Und es tun sich neue Fragen auf.
Kann sich Spahn als Bundestagsabgeordneter, ohne Ministeramt, langfristig eine bislang nicht abbezahlte Millionenvilla leisten? Wie kann er mit geringeren Bezügen Zins und Tilgung für Villa sowie die Wohnung in Berlin aufbringen, die ihm noch gehört? Die Villa soll er zusammen mit seinem Ehemann inzwischen selbst bewohnen; zumindest steht sein Name an der Klingel. Die Süddeutsche Zeitung hat insgesamt fünf Anfragen an Spahns Bundestagsbüro geschickt und auf die Entscheidung des OLG Hamburg verwiesen. Spahn, an den die erste Anfrage persönlich gerichtet war, hat nicht selbst geantwortet, sondern das seinem Büroleiter überlassen. Und der hat wiederholt erklärt, dass die privaten Vermögensverhältnisse der Eheleute Spahn eben privat seien.
Spahn ist seit Ende 2021 nicht mehr Minister. Als Bundestagsabgeordneter bekommt er 10 012,89 Euro brutto im Monat. Einnahmen aus Nebentätigkeiten hat er nach Angaben seines Bundestagsbüros nicht. Vorher, als Bundesgesundheitsminister und Parlamentarier, waren es mehr als 20 000 Euro.
Spahn hat seit 2015 zwei Wohnungen und eine Villa in Berlin gekauft; eine Wohnung und die Villa zusammen mit seinem Ehemann Daniel Funke. Allein die Villa hat mehr als vier Millionen Euro gekostet. Die Villa gehört laut Eintrag im Grundbuch zu zwei Dritteln Spahn. Für die Immobilien hatte der CDU-Politiker, teils zusammen mit seinem Ehemann, ursprünglich Kredite in Höhe von insgesamt mehr als sechs Millionen Euro aufgenommen. Eine Wohnung haben die beiden Anfang September 2021, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, für 1,37 Millionen Euro wieder verkauft. Wollte Spahn damals Vorsorge treffen für den möglichen Verlust seines Ministeramtes?
Auf die SZ-Anfragen hat Spahns Büroleiter nur bruchstückhafte Antworten geschickt und diese in der Regel auch noch als "Hintergrund" bezeichnet. Hintergrund bedeutet im Umgang zwischen Politik und Medien, dass dies nicht zitiert werden dürfe. Das macht es in diesem Fall noch schwieriger, bei Spahns finanzieller Lage Transparenz zu schaffen.
Transparenz ist hier aber genau das, was die Justiz für notwendig erachtet. Spahn hatte sich gegen eine Berichterstattung in der Berliner Zeitung Tagesspiegel über seine finanziellen Verhältnisse im Zusammenhang mit den Immobilien gewehrt, aber in zweiter Instanz beim OLG Hamburg verloren. Das OLG entschied, das berechtigte öffentliche Interesse umfasse auch die Höhe des Kaufpreises für die Villa und des von Spahn dafür aufgenommenen Darlehens.
Politische Führungspersonen müssten sich als "Repräsentanten des Staates" schon grundsätzlich eine kritische Befassung mit ihren finanziellen Verhältnissen gefallen lassen, schrieb das OLG. Für die politische Meinungsbildung sei es auch "von ganz erheblichem Interesse, wie gewählte Volksvertreter ihren Lebensunterhalt bestreiten und wie sie finanziell situiert sind". Dies könne beispielsweise Vermutungen über beziehungsweise sogar Rückschlüsse auf ihre politische Unabhängigkeit ermöglichen.
Das OLG bezeichnete die Millionenvilla als "ungewöhnlich teure Immobilie", deren Erwerb für "durchschnittliche Verdiener außerhalb jeder Reichweite" sei und die auch mit dem Gehalt eines Bundesministers "nicht ohne Weiteres zu bezahlen" sei. Wie aber lässt sich eine solche Villa dann auf Dauer als Abgeordneter abbezahlen? Grundbuchauszüge besagen, dass Spahn zusammen mit seinem Ehemann für die gemeinsame Villa Grundschulden in Höhe von mehr als 4,5 Millionen hat eintragen lassen. Für die ihm gehörende, vermietete Wohnung sind Grundschulden von weiteren 850 000 Euro eingetragen. Die Darlehen sollen aber nicht gleich hoch sein wie die Grundschulden.
Die SZ hat Spahn dazu geschrieben: Einen günstigen Zins von einem Prozent und eine Tilgung von drei Prozent vorausgesetzt, müsste das zu einer monatlichen Belastung von 18 000 Euro führen. Der Großteil davon, 13 000 Euro, müsste auf Spahn entfallen. Spahns Bundestagsbüro hat darauf geantwortet, aber eben nur zum "Hintergrund", also nicht zum Zitieren. Demnach, so viel sei gesagt, soll die monatliche Belastung für den CDU-Politiker niedriger liegen. Aber wie sich Spahn die beiden Immobilien leisten kann, das bleibt im Dunkeln. Nachfragen nach der genauen monatlichen Belastung bleiben zwecklos.
Möglicherweise reichen die Abgeordnetenbezüge, das Übergangsgeld, Einnahmen aus der vermieteten Wohnung und der Erlös der verkauften Wohnung, um die monatlichen Kosten zu decken. Andererseits dürfte der ursprüngliche, 2017 aufgenommene Kredit für die nunmehr verkaufte Wohnung noch nicht abbezahlt gewesen sein. Hinzu kamen beim Kauf der Wohnung Kosten für Notar, Grundbucheintrag und Makler in nicht unerheblicher Höhe sowie Maklerkosten beim Verkauf. Spahn und sein Mann sollen sich bereits im Spätsommer 2020 und damit ein Jahr vor der Bundestagswahl entschieden haben, in die Villa einzuziehen und die selbst genutzte Wohnung zu veräußern.
Von seinem Bundestagsbüro wird der ausgebildete Bankkaufmann Spahn als sparsamer Menschen dargestellt, der sein Geld gut anlege. Immobilien gelten in diesen Zeiten als eine besonders gute Geldanlage. Aber eine Millionenvilla mit mehr als 500 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche samt großem, parkähnlichem Grund leisten sich die wenigsten Minister; von Spahns ehemaliger Chefin Angela Merkel ganz zu schweigen.
Spahn habe sich mit vielen auch pointierten öffentlichen Aussagen als "besonders streitbarer Vertreter einer konservativen Politikrichtung besonders profiliert", befand das OLG Hamburg. Dabei habe er auch geäußert, dass die staatliche Grundsicherung mit Hartz IV ausreichend sei. Auch aus diesem Grund müsse er sich eher als andere Personen eine kritische Berichterstattung über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse gefallen lassen.